Ich hasse übrigens Facebook. Du hättest mir bei dieser kurzweiligen Gelegenheit etwas mehr dalassen können, als Erinnerungen und einen nostalgischen Backflash. Eine E-Mail-Adresse zum Beispiel. Schon irgendwie gemein, dass ich dich jetzt suchen muss. War das der Plan?

Wie soll ich dich eigentlich nennen? Mark? André? Manticore? Lass es mich wissen.

 

“Mit dir kann man garnicht ins Kino gehen!”, stöhnen meine Freundinnen im frühen Jahr 1998, als die Strassen und Herzen noch kalt und bitter waren. Wir saßen damals im Kino und weil ich damals wenig bis gar kein Mitspracherecht hatte (gnadenlos überstimmt) in dem Film Titanic mit den bekannten Verdächtigen. Während meine Freundinnen schon im Auftakt mit feuchten Augen nach den Taschentüchern wühlten, hatte ich während des Vorspanns mein Popcorn vertilgt und war unendlich gelangweilt. Amüsant fand ich den Film erst mit dem historischen Untergang und den Tod des Jack – ja das war traurig – aber hey, ich war 16 und ein amoröser Spätzünder.

Heute noch bin ich kinomäßig eher der Action-Typ. Gängige Romantik-Schmachtfetzen jagen wir dicke, pustelige Schauer über den Rücken, was manche Menschen niedlich finden, regt mich zum ungefiltertem Fremdschämen an. Und seitdem ich mir das “Disney-Gender”-Modell zu Gemüte geführt haben, ist das Leben auch nicht mehr das selbe. Narf.

Trotzdem würde ich mich durchaus als romantisch beschreiben.. auf eine verschrobene Art und Weise. Das macht es dem besten von allen Hauptstadtmännern nicht gerade einfach und trotzdem ist er “stets bemüht” meinen vollkommen unrealistischen Vorstellungen von 1:1-Romantik gerecht zu werden. Dabei verzichte ich schon auf jeglich amorös-angehauchte Literatur, mache einen grossen Bogen um schleifige Dinge und höre im allgemeinen Musik, die weniger weichgespült, als beatlastig und grobmotorisch ist.

Überleitung!

Ist es eigentlich meinen lynardskynard’schen Eltern geschuldet, dass ich in frühester Jugend nie mit den Beatles in Berührung gekommen bin? Ist ethisch vertretbar, dass ich keine tiefe, emotionale Verbindung mit diversen Beat-Songs habe und dass ich den Hype um “Let it be”, “Yesterday” (!) und “Hey Jude” nie ganz bis zur Gänze verstanden habe. Wie Musik wie Wartezimmer, im Supermarkt oder Fahrstuhl, die zwar merklich da ist, aber erst auffällt, wenn sie fort ist.

So ähnlich wie mit der Romantik?

Umso merkwürdiger, dass ausgerechnet ein Beatles-Song es schafft, mich innerhalb von Sekunden zu einer rosaglänzendenzuckerwattenwollenen Kitschnudel mit glänzenden Augen, zuckenden Lefzen und seufzenden Lauten mutieren lässt. Ok, nein so ist es natürlich nicht, ihr habt den Rest vom Eintrag ja hoffentlich gelesen.


The Beatles – Norwegian wood

Der einzige Grund für diese Wahl liegt im gleichnamigen Werk des Autoren Haruki Murakami (zu deutsch: Naokos Lächeln) und wer wissen will, warum selbst ich dahinschmelze, der muss es leider lesen.

Was findet ihr romantisch?

 

Notes of Berlin

via Notes of Berlin

 

Hell yeah. Luftgitarre funktioniert mit dem neumodischen Bullshit einfach nicht. Da müssen Konsorten wie die Stones, Led Zeppelin, AC/DC, Pantera oder Machine Head ran.

Gekrönter König der astreinen und präsizen Gitarren-Solos, Mitglied des legendären Club 27 und unbestrittene Gallionsfigur des Woodstock-Festivals ist und bleibt allerdings Jimi Hendrix und ist mit seiner “Foxy Lady” unangetastet die Nummer 1. Auf dass aus der Luftgitarre die Lustgitarre wird.


Jimi Hendrix – Foxy Lady woodstock von bebepanda

Weil die 70er Aufnahmen aber qualitativ nicht mehr den HD-Ansprüchen der jüngeren Generationen genügen, hier nochmal eine erträgliche Cover-Version der Band Chickenfoot.

 

Liebes Internet,
hat man ein psychologisches Problem, wenn man dieses selbst diagnostiziert? Oder ist das wieder nur so ein Fall von margaritarischer Theatralik?

Die ganze Misere began mit einem weiteren Paar Schuhe. Schwarze Leder-Peeptoe-AnkleBoots von GUESS. Oakridge heissen sie und es war Liebe auf den ersten Blick. 210,00 Euro kosten sie im Original, ich sollte für sie mit allen Benefits nur einen marginalen Bruchteil zahlen und so landeten sie schliesslich im virtuellen Warenkorb. Am Mittwoch kamen sie, wurden anprobiert, bejubelt und geherzt und sofort musste natürlich ein Thron, ein königlicher Stellplatz für diese göttlichen Treter her. Das Fazit: Kein Platz mehr. WTF?

Fest steht: Die Arbeit im konsumkapitalistischen Arbeitshimmel hat meinen Kleiderschrank und mein studentisches Budget gesprengt. Ich besitze über 60 Paar Schuhe (und das bei nur (!) zwei Füssen – als ich nach Berlin zog, hatte ich genau vier Paar Schuhe im Gepäck) und jede Menge Klamotten in sämtlichen farbigen Ausführungen: Kurze Kleider, lange Kleider, Röcke, Shirts, Basics – ganz zu geschweigen von passenden Accessoires. Warum habe ich bloß soviel Kram?

Die Antwort ist simpel! Weil alles so verflucht günstig war!

Ich bin ein kleines Sale-Opfer und mir bringt Einkaufen nur richtig Spass und Befriedigung, wenn ich nicht den vollen Preis bezahle. Vorbei sind übrigens auch die Tage, wo man “sich halt was übergezogen” hat. Outfits müssen dem Anlass, dem Wetter und der Stimmung entsprechend geplant werden und wenn die eigenen vier Wände nicht passendes bieten, landen Schnickeldis schnell auf Wunschlisten und somit als Posten auf der Kreditkartenabrechnung. Die bestellten Endorphine werden an die heimischen Tore geliefert, anprobiert und notfalls (auch wieder) in den postalischen Orkus und in die fashionistischen Versandzentren dieser Welt retourniert. Rückversand ist ja kostenlos..

Ein weiterer Nachteil neben der logistischen Unterbringungsproblematik. Das Freilandshoppen macht keinen Spass mehr!

Ich war neulich mit derKomplizin in Berlins Tempeln der Kauflust unterwegs und habe den wohl schönsten und schmeichelhaftesten Mantel der Welt liegen lassen, “weil im Arbeitshimmel krieg ich den bestimmt günstiger”. Wie krank ist das?

Darüber hinaus wird die “Was soll ich anziehen?”-Problematik beileibe nicht durch mehr Auswahl vereinfacht, sondern – im Gegenteil – nur weitestgehenst erschwert.

Mal davon abgesehen, dass ich – weiss Gott – genug Klamotten besitze, kann ich meinen Konsumrausch doch nicht dadurch fördern, dass ich aufgrund von Sale, Mitarbeiter- oder Mengenrabatt hier jede Menge Zeug ansammel, das weder nützlich, praktisch, sondern einfach schön ist, mich aber im Fall der Apokalypse nicht aus der Gefahrenzone bringt. Oder über die sieben Weltmeere.

Ich komme ja garnicht mehr zum Kaputttragen der Sachen, weil ständig Nachschub beordert wird. Und damit ist jetzt Schluss!

Es gibt ja einen ganzen Kult um diese Konsumverweigerer, die sich ein ganzes Jahr keinerlei Beutezügen verordnen. Seien wir mal ehrlich: Das schaffe ich nie. Mir würde es schon reichen, wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was ich wirklich brauche und was ich mir aus Lust an der Sache kaufe. Ich bin wirklich gespannt, wie lange mein neugewonnener Wille zur Askese andauert. Sicherheitshalber habe ich alle Newsletter abgemeldet und E-Mails, die ein “%” enthalten kategorisch weggefiltert! Kennst du diese Art von “shopping-spree” eventuell auch?

Beste Grüße,
deine Marga


 

Eijeijei. Das war ne harte Nuss. Und ich habe mich wirklich erst nach reichlicher (REICHLICH REICHLICHER!) Überlegung für ein Lied entschlossen, was dem ganzen Konstrukt schon recht nahe kommt.

Dieses Mal ohne weitere Interpretation und Erklärung, dafür aber mit hervorragendem Video:


Björk – It’s oh so quiet

Gruss,
Marga

 

Grundsätzlich habe ich als Griechin keine Scheu vorm Tanzen. Es ist mir egal, wie ich dabei aussehe und wer mir dabei zusieht. Es bedarf aber immer einen konkreten Grund, den Tresen oder den schützenden Kreis der Begleiter zu verlassen, bevor ich mich auf die “Tanze” begebe. Meistens reicht die Argumentation “weil heute Samstag ist” oder “weil der Wein grad alle ist”. Ich bin in dieser Hinsicht und bei akkumulierender Anzahl der leeren Gläser recht einfach gestrickt.

Natürlich spielen die peripheren Umstände, wie Lokalität, Anlass, Stimmung und nicht zuletzt der gespielte Song selber eine monumentale Rolle beim Ausbruch, der mich wie ein spastisches Eichhörnchen auf Crack durch die Menge grooven lässt. Und von diesen Songs gibt es viele, DEN einen auszuwählen, der mich unter Garantie ausflippen lässt ist schwer.. aber nicht unmöglich.

Wie immer hat man am letzten Tag des Jahres unerfüllbare Erwartungen an den Abend. Was besonderes solls sein, was spektakuläres – etwas, was man nicht jeden Abend macht und spätestens beim Verdauen des Weihnachtsschmauses fängt man an zu überlegen, wie man wo mit wem Silvester feiern wird.

Der beste Tanzbär von allen und ich hatten eben diesen Plan nicht und liessen uns spontan von Freunden auf eine semiprivate Verantstaltung schleppen. Das Publikum war ziemlich alt und mit dem Arsch zumeist an die Stühle getackert, der DJ war von der menschenverachtenden Sorte. Aber der Alkohol war günstig und irgendwann nach der ganzen Böllerei ertönte aus den Boxen ein griechisches Lied. Diese Disko-Sirtaki-Knete, die auf ländlichen Ü30-Parties gern als Warmup zum Resteficken gespielt wird.

Ich wachte plötzlich auf, haute alkoholisiert wie ein Trinkhallen-Battalion mit der Faust auf den Tisch und schnappte mir die Weiber des Raumes. Zu einer Menschenkette aufgereiht, schwang ich in der rechten Hand eine Serviette und krallte mich mit der linken an einer Frau, ich weiss nicht mehr welche, fest. Weil der “Beat” immer schneller wird, sprang und stampfte ich drehend so die Schrittfolge in den Boden des Saals und freute mich senil grinsend.

Von der ganzen Bewegung derart in Form gebracht ging danach gar nichts mehr. Ein guter Jahresstart. Soviel zur margaritarischen Anekdote.

Mich bringt jedes griechische Liedgut (auch türkisches – ist sich ja sehr ähnlich) zum Tanzen. Wer möchte, dass ich mich mal so richtig blamiere, der möge bitte seine Heimfeten-Playlist um “Zeibekiko tis Evdokias” erweitern, am besten im Repeat für zahlreiche Stunden Spaß!

Weil das allerdings eher weniger mit der hauptstädtischen Tanzsaal-Kultur zu vereinen ist, musste ich arg überlegen. Zählt Headbangen als Tanz? Moderner Ausdruckstanz vielleicht. Wobei ich auch schon Männer zum Rattern von Druckern, Rasenmähern oder Mixern rhytmisch mit den Köpfen hab wackeln sehen. Das zählt als nicht.

Da muss dann schon eher folgendes herhalten:


Madonna – Deeper and deeper

Das letzte Mal, als ich das Lied in nem Club als Remix gehört habe, habe ich – den Text gröhlend und mit geschlossenen Augen tanzend – einer anderen Kontrahentin in jenem Talent-Contest ein Veilchen verpasst und mich im Delirium gegen eine mannshohe Box gekracht. Lang ists her, könnte mir aber heute auch noch passieren.

In diesem Sinne,
Marga

 

Tag 3 meiner unfreiwilligen Suppendiät. Ich sitze in Wollstrumpfhosen und knielangem Cardigan in meinem neu-designten Wohnzimmer und verteile großzügig vollgerotzte Taschentücher in das orientalische Ambiente des Raumes. Vor mir stehen drei Tassen: 1x Hühnerbrühe, 1x Erkältungstee, 1x ein zischender Cocktail aus Aspirin und allem was sich pulverisieren lässt und der Medizinschrank so hergegeben hat. Außerdem steht da mein Laptop, mit dem seit heute Morgen eine BBC-Dokumentation nach der anderen schaue, mich zwischendurch nur erhebe um Flüssignahrungsnachschub zu beschaffen und mich ansonsten nur schwer davon abhalten kann, wie der Teufel zu putzen. Das mache ich immer, wenn ich krank bin. Solch blinden Aktionismus auf diesem Terrain habe ich normalerweise nicht. Wie ein auditives Leichentuch hängt über der ganzen Szenerie übrigens eine Kakophonie aus Schneuzen, Schnauben, Ächzen und Stöhnen UND einem gelegentlichem Fluchen.

“Boah, was geht mir diese Scheisse auf den Keks..”

Ja, ich bin wirklich krank. Das werde ich “mit Vorliebe” an Samstagen, Feiertagen oder im kalendarischen (!) Sommer. Ich habe mich die letzten Tage tapfer aber höchstunverantwortlich zur Arbeit geschleppt und zahle jetzt drauf. Kopf aua, Ohren aua, Hals aua und vor allen Dingen Nase aua.

Den Blick in den Spiegel meide ich. In der Reflexion des Bildschirms sehe ich die dicke Schicht Penaten-Creme um Mund und Nase, die die spröde und ausgerissene Haut retten soll und mich aussehen lässt, wie ein dicker Bär, der mit der feuchten Nase in feinstes Koks gefallen ist. Und so fühle ich mich auch.

Wenn jemand geeignete Tipps für die just aufkeimende Langeweile hat, nur her damit.

 

Passenderweise hat Konna aus der Gedankenschmiede zum gestrigen Montag das Thema “Neubeginn” aus seiner bunten Tüte des Frohsinns gezogen. Denn genau gestern vor fünf Jahren habe ich wohl den besten und wichtigsten Schritt in Richtung Happyness gewagt, indem ich mich mit dem besten aller Hauptstadtmänner eingelassen habe. Darüber, was das alles bedeutet hat, schweige ich an dieser Stelle ausnahmsweise.

Der Soundtrack für den damaligen Neubeginn:

Christina Aguilera – Ain’t no other man

 

Neu in Berlin ist man zunächst einmal verschiedenen Eindrücken schutzlos ausgeliefert, wenn man Kiez für Kiez die Stadt entdeckt. Und neben Zeit, die man staunend und ungläubig verbringt, verliert man vor allen Dingen seine Geduld, gute Manieren und letzen Endes Geld.

Frisch in Berlin angekommen und auf diversen Erkundungs- und Akklimatisierungstrips in der Stadt unterwegs bin ich in die wohl beschissenste Gutmensch-Falle seit Aktion Sorgenkind getappt. Ob das jedem Rucksack-Berliner und Touristen so geht? Ich weiss es nicht. Dem hessischen Kleinstadtkind zumindest tun erstmal die Menschen leid, die im Berliner Winter draussen schlafen müssen, mit Kindern unterm Arm betteln oder Kippenstummel aus aus den öffentlichen Aschenbunkern dieser Stadt sammeln. Der beste Geburtsberliner von allen hat herzlich gelacht, als ich von meinen ersten Touren ins neue Heim zurückgekehrt bin und fassungslos vor soviel Elend meine leere Geldbörse gebeichtet habe.

Natürlich hab ich mal nen Euro, natürlich kauf ich dir nen Burger. Kippe? Sicher! Nimm alle! Das läpperte sich natürlich irgendwann zu erstaunlichen 50 Flocken am ersten Monatsende meines Berlinaufenthaltes. Man muss doch helfen und die Motz abkaufen oder dem Reggae-Mann, der sich den Blues aus der Lunge plärrt, in der Bahn was zustecken oder was in den Hut werfen. Man darf doch an Armut nicht blind vorbeigehen. Nicht am Alex, nicht unter den Linden und vor allen Dingen nicht in allen öffentlichen Verkehrsmitteln dieser göttlichen Stadt.

Doch, man kann und irgendwann muss man auch.

Schlüsselmomente Berliner Armut sind für mich Szenen, in denen die Bedürftigkeitsfassade der Punks, Penner, der Klischee-Roma, der Stinkenden oder einfach Verwahrlosten mal heftig brökelt. Da wird die erwirtschaftete Kohle beim Familienoberhaupt im Benz abgegeben oder sich nach erfolgreichem Abernten des Bahn-Waggons zum Kaffee bei Starbucks verabredet. Alles schon erlebt.

Man darf natürlich – zumindest nicht bewusst – ein Danke erwarten. Du fungierst in der Rolle des Gebers als laufender, atmender Bankautomat und abgehoben wird mit dem schlechten Gewissen, dass dir durch lockere Sprüche, unermütlichen Einsatz oder das Mitschleppen von irgendwelchen verflohten Wauzis impliziert wird. Dass du vielleicht grad selber total am Arsch bist (vielleicht wegen zwei Jobs, einer anstrengenden Beziehung oder zu wenig Schlaf) interessiert dabei keine Sau und das Nein zu Motz, Euro, Burger und Kippe wird nicht selten mit Spucke, rumänischen Flüchen oder Handgreiflichkeiten quittiert. Ich wiederhole: Alles schon erlebt.

Aber warum ich dann die asoziale Pottsau?

In der Gestalt des Kakao-Mann manifestiert sich meine erste Begegnung mit dem Berufsbetteln. Wir wohnten damals in Lichtenberg (dem schönen Teil von Lichtenberg!) und ich fuhr, wie bereits erwähnt zu Recherche-Zwecken, öfter zum Alex. Die U5 ist durch Ihre Schnittstellen mit diversen U- und S-Bahnlinien ein wahres Panoptikum und Augenfest und auch für sensible Touristen ein echtes Abenteuer. Den Kakao-Mann, der dabei alle Linien (und vermutlich auch Busse und Taxen frequentiert), hat bestimmt schon jeder, der sich zumindest kurzzeitig in Berlin aufgehalten hat, lauschen dürfen. Selbst wenn ich mich mit Menschen über Berlin unterhalte, die nicht hier leben, in zwei von drei Fällen haben den Kakao-Mann schon mal live bei der Arbeit beobachten dürfen. Lange, fettige Haare, verpickelt und vernarbt, Wohnparka, verlaust und ziemlich aufdringlich.

Die hagere – auf den ersten Blick geschlechtslose Gestalt zeichnet sich in erster Linie durch eine unsagbar nervige Fistelstimme, eine gewisse Kurzatmigkeit und und ein begrenztes Vokabular aus, dass stellenweise hauptsächlich aus der sich immerwährend wiederholenden Stringfolge aus Indikativ, Imperativ, Einatmen, Ausatmen und dem Wort “Bitte!” in seiner aggresivsten Form zu bestehen scheint. Der offensichtliche dem Chemie-Baukasten nicht abgeneigte Starkalkoholisierte und aus diversen Körperöffnungen transpierende duldet – wenn er seine Rede hält – keine Zwischengespräche und scheut auch nicht davor zurück, anderen Mitreisenden höflich (er sagt wenigstens “bitte”) aber bestimmt den Mund zu verbieten. Er appeliert dabei vor allen Dingen an unser Verständnis, an die Menschenwürde im Allgemeinen und untermalt das Ganze mit stimmungsmachenden Satzfetzen wie “Bitte, meine Damen und Herren, Ihre gute Laune. Einen Weg, eine Spende, Bitte” und so weiter und so fort. Ganz klar: Natürlich will er das Geld nicht für Alkohol. Nicht für Drogen. Er hätte gern ein Plätzchen zum Schlafen, Geld zum Wäschewaschen (sic!), eine Stulle und einen KAKAO! Sicher. Darum auch Kakao-Mann. In der ersten Zeit nachdem mich mein Verstand und mein leerer Geldbeutel vom Wohltäter-Syndrom geheilt haben, hatte ich tatsächlich so einen bekloppten Viertelliter-Tetrapak Kakao in der Tasche, nur für den Fall der Fälle und eine Runde gratis “Bescheuertes Gesicht”. Es gibt übrigens auf YouTube Videos von ihm in Action.

Vor ein paar Tagen treffe ich den Kakao-Mann also wieder. Ähnliche Masche, anderer Kiez und auch sonst irgendwie ist er nicht mehr der Selbe. Für seine Verhältnisse ordentlich als Punk verkleidet, die Fettmähne abrasiert, das Kapital – in Form eines Inzest-Hundes – trägt den Strassenfeger zwischen den kloakigen Lefzen und auch sonst.. irgendwas ist anders.

In meinem Schadel rast es kurzzeitig. Der Typ ist gepierct! Und zwar an diversen Stellen! Und nach dem Heilungsgrad sieht das mit hier nicht nach heisser Stricknadel, Kartoffel und Eiswürfel aus. Zwar ist es schon eine gefühlte (und gelebte) Ewigkeit her, dass ich mich ernsthaft mit Piercingkosten beschäftigt habe (im Hinterkopf überschlage ich den Preis grob), und eigentlich geht mich das nen feuchten Scheiss an, was der Kakao-Mann mit seiner Kohle macht, aber ich komme mir aus den oben erläuterten Gründen herzlich verarscht vor. Als dann so ne Gruppe Touris dem Übeltäter auch noch die nächste Runde Koks in Form von Almosen spendiert, wird der Typ auf mich aufmerksam. Angestrengt weggucken und auf dem Handy rumtippen ist jetzt passé, das Arschloch hat Spendebereitschaft gewittert und sich mental an meinem Geldbeutel festgebissen.

“Bitte. Sie. Vielleicht. Eine. Spende. Kakao!”

Von wegen. In knappen Worten gebe ich dem Kakao-Mann zu verstehen, dass ich seine auch sonst wie gearteten Süchte nicht mitfinanziere und er in diesem Waggon bereits fette Beute gemacht *dramatischer Blick auf die Touri-Gruppe* – GENAU DAS hätte ich tun sollen. Hab ich nicht, wie so oft fällt mir sowas erst im Nachhinein ein. Stattdessen sage ich “Nö!” und ärgere mich immernoch über meine Schwermetall-Anteile in seinem Gesicht.

Und deswegen bin ich eine asoziale Pottsau, wie er mir beim Verlassen des Waggons bedeutungsschwanger zuraunt.

Ob er das mit einer berufsmäßigen Fistelstimme sagt oder ganz normal sagt, weiss ich nicht. Beim nächsten Treffen werd ich mal drauf achten. Vielleicht gibts dann auch nen Kakao.

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