“Was machen wir heute eigentlich?”, sprach das Wochenendkind und stürzte uns in tiefe Verzweiflung. Wir konnten uns als Kinder selbstbeschäftigen und auch gut und gerne auf eventuell anwesende Bespaßungskomiteés verzichten. Wir haben noch im Dreck gewühlt, Hütten gebaut, auf dem Bolzplatz gekickt und uns gegenseitig vermackelt. Das alles kann er anscheinend nicht, dafür aber erwartungsvoll gucken.

Also packen wir das Kind warm ein und gehen los. In einer Metropole wie Berlin wird doch am Tage eines verkitschten US-Fests irgendwas los sein. Denkste, tote Hose auf der Straße. Bis auf die minderjährigen Austauschs-Gangster, die am UCI-Kino stehen und “Leute abrippen” wollen, den Baustellen-Trottel der U2 und dem sehr üblichem Mauerpark-Publikum ist einfach kein Menschenstrom und somit kein Veranstaltungsindikator sichtbar.

“Scheeeeeei…benkleister!”, ruft die Marga kindskonform und der mittlerweile gar nicht mehr so kleine Mann und guckt überrascht. Den Blick hat er von seinem Vater. Mein bester Grimassenschneider von allen wendet ihn bevorzugt an, wenn ich besonders unerwartete Dinge tue oder sage. Das kommt häufiger vor. Ich hab übrigens Bonbons in der Tasche.

Nur durch Zufall hängen wir uns eine Familie ran, die nicht ganz so prenzelig aussieht und anscheinend genau weiß, was sie tut. Plötzlich hocken wir am Helmholtzplatz und haben das Kind das Kind mit Taschengeld bewaffnet auf den nahen Kinder-Flohmarkt geschickt. Schnell kehrt er sichtlich genervt zurück und murmelt was von “Kinder-Klamotten”, “Baby-Spielzeug” und so weiter und sofort. Kindsein ist offensichtlich anstrengend. Er holt sich eine Bionade.

Auch anstrengend sind die Nachbartische, die der Beste und ich uns auf den Draußen-Plätzen des Cafe´s angelacht haben. Rechts sitzt eine rauchende Mutti und ihre schätzungsweise 10-monatige Nachgeburt, sie in dem blockgestreiften 10,00-Euro-H&M-Kleid, dass hier momentan jede trägt – die Kippe in der Rechten, das Eis in der Linken. Ihr Sproß schlabbert auch fröhlich an einer Eiswaffel rum. Ich hasse diese Weiber, die ihren halbgaren Wänsten zum Fressehalten immer was ins Maul stopfen müssen. Und dann so was.

Links sitzt so ein Rudel Gebährender und solche, die es werden wollen und bestaunen, was die eine im Bunde da Tolles zwischen den Schenkeln herausgepresst hat. Ein dumbo-ohriges – aber zumindest ruhiges – Kind ist in einer Art Gespann auf der Wirbelsäule der Mutti befestigt und sieht aus wie ein Rucksack. Ich erfahre, dass dieses “Geschirr” 80,00 Euro gekostet hat und besonders die Bindung zwischen Mutter und Kind fördert. Ja, genau. Wenn ich bleibende Schäden im Leben davon getragen habe, dann davon, dass ich nur eine suboptimale Bindung zum Nacken meiner Mutter habe. Wahrscheinlich habe ich deswegen auch keinen Grund, mich über die Kinds-Hasser im Britz-Viertel in Neukölln aufzuregen oder keine Veranlassung mich über emissionsfreie Generationsbauten zu freuen, in denen “das Gemeinschaftsgefühl ganz famos” ist. FUCKOFF.

Was am gruseligsten an diesem ganzen Panoptikum ist: Immer wieder erwische ich beide Parteien während meiner investigativen Beobachtung, wie die Tische hyänenartig zu uns rübergieren. Was ich im ersten Moment noch als eindeutiges Abchecken meines Bestens deute, schlägt mir im nächsten Moment als unaussprechliche Wahrheit ins Gesicht.

Auf dem Tisch stehen ein Chai Latte (ich), ein Latte Macchiatto (er) und so eine unsägliche Bionade (das Kind) und die bittere Erkenntnis: DIE HALTEN UNS FÜR EINEN VON IHNEN!

Panik! Anders ist dieses Gefühl nicht zu Umschreiben. Ein Pärchen – Er ziemlich überfordert – Sie im 10. Monat schwanger – flaniert an uns vorbei, sieht uns und lächelt ob der kommenden Familieneinigung. Gott, ich weiss, wie sich Förderationskreuzer vor der Assimilierung durch die Borg fühlen. Hilflos. Entsetzt. Kampfbereit.

Wir zahlen und pilgern im Stechschritt nach Hause. Ich bin nichtmal ein anständiger Mensch, wie soll ich da eine anständige Prenzl’Mutti sein?

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One Response to Rocky-Horror-Picture-Mom

  1. Elisabeti says:

    That’s a skillful answer to a diclufift question

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