Der Henkel an der Supermarktkasse ist das Schlußlicht. Also der Arsch, der mit zwei Tüten Tiefkühlgemüse, einem Beutel Zwiebeln, einem Liter Milch und zwei Kohlrabi-Knollen balancierend ganz hinten steht. In diesem Fall bin das übrigens ich.

Aber so schnell ist die Geschichte nicht vorbei, diese Szene gibts ja öfter – mit wechselnden Lebensmitteln, aber immer mit genervtem Gesichtsausdruck und theatralischen Gesten (sofern möglich!).
Mein Ecken- und Kiez-Discounter, der mit dem schwarzen Hund, hat ganz kurzfristig mitgeteilt, dass die geschätzten Räumlichkeiten von diesem Samstag aus an bis voraussichtlich November (!) umgebaut werden. Man hofft übrigens mich “dann wieder als Kunde in den neuen, schönen Räumlichkeiten begrüssen zu dürfen!”. Am Arsch, bis dahin bin ich verhungert!

Zumindest ergab sich aus dieser tragischen Situation der Umstand, dass die mehr oder weniger nahen Lebensmittelquellen sondiert werden mussten. Im margaritarischen Haushalt ist Essensbeschaffung Frauensache, also stiefelte ich nach getaner Arbeit los. Ein fremder Supermarkt! Die Schilder hätten auch auf kongolesisch geschrieben sein können, ich hätte mich nicht besser zurechtgefunden. Eine halbe Stunde lang tigerte ich unentschlossen zwischen Gemüse und Fleischtheke hin und her vollkommen resistent für jegliche kulinarische Inspiration, bis endlich das oder andere Leckerchen auf dem Arm landet.

An der Supermarktkasse sitzt eine kurzgeschorene Technobraut mit zugepierctem Fressbrett und lächelt freundlich. Die ist hier noch nicht länger. Und bleiben wird sie mit der Arbeitseinstellung auch nicht lange. Die Neon-Azubine gibt mir mein Wechselgeld (hört, hört – heute mal ohne Karte gezahlt) und wünscht mir einen schönen Tag. Entweder sie meint das ernst oder sie hat nen verdammten Oscar verdient. Miss Lector bedient derweil freudestrahlend den nächsten Kunden – armes Mädchen.

Bevor ich ernsthaft drüber nachdenken kann ihr einen Job bei uns als Putzfrau anzubieten (der Job wäre nicht minder nervtötend und kraftraubend, aber dafür vermutlich besser bezahlt), bin ich schon wieder in freier Wildbahn und schwinge den Baumwollbeutel über die Schulter. Ein wenig wehmütig denke ich an die Lebensmittel, die mir während der Schönheits-Operation meines Herzendiscounters wohl am meisten fehlen werden. Oh zuckerlose Saure-Gurken, oh Atom-Kohlrabi, oh Kochkäse!

Ich gehe schon fast dran vorbei, als mein Schritt doch seinen täglichen und quasi vorprogrammierten Weg in den Discounter einschlägt. Schon auf der Rolltreppe sehe ich, dass die Aufpass-Oma mit ihrer Gang im Backshop sitzt und plant, ihn leer zu futtern. Der missverstandene Herr P. (dienstältester Kassierer und bärbeissiger als alle Taxifahrer Berlins) und der “Ich kenn dich doch”-Typ sind nicht da, sonst wäre ich Stimmung ganz anders. Aussehen tut er Laden wie immer – nur ein wenig “nachkriegsmässiger”.

Die Regale sind teilweise weggeräumt und / oder ausgebombt. Pro 30cm Lauflänge liegt eine Packung Aufschnitt im Wurstregal, die Beleuchtung ist aus, gibt ja nichts, was es zu beleuchten gäbe. Die letzten Verzweifelten raffen den noch verfügbaren Alk zusammen, Stammkundschaft halt. Es riecht wie immer ein bisschen nach Desinfektionsmittel und nach fallengelassenen und aufgewischten Eiern. Die Gemüseabteilung bietet bis auf einige traurige Gurken nichts verwertbares. Trotzdem finde ich noch das ein oder andere Lebensmittel mit nostalgischem Wert und da beginnt die Geschichte.

Ich stehe also wutschnaubend und sehr unentspannt an der Kasse:

Die Trulla direkt vor mir hat nur zwei Sachen, Mayo und Knoblauchpulver und erzählt ihrer Komplizin weiter vorne, dass es “heute Ali un Oli mit Schweineschnitzel zuhause gibt”. Ich brauche ein paar Minuten, um zu verstehen, dass sie Aioli meint und möchte mich in die Tiefkühltruhe neben mir stürzen.

Weiter vorne plärrt so ein Feenwesen in Stützstrumpfhosen in ihr Handy, dass sie das “akkustisch jetzt noch nicht sagen könnte.”, in Gedanken gehe ich den Duden durch und versuche zu übersetzen.

Zwei Checker, die jetzt hinter mir parken, bewerten lautstark die “Fick-Kompatibelitibelität” von irgendeiner Cindy, Mandy, Sandy – ich schweige nur, weil mein bester Bewährungshelfer von allen gesagt hat, dass ich gelassener werden soll.

Ich frage mich allerdings wie, denn die zwei Saufkumpanen da vorne – auch bekannt unter Knollennase und Glasblick – streiten sich, wer die 10 Flaschen Reserve-Sprit (Doppelkorn Marke “Pennerglück”) zahlt und wer trägt.

“Ich bin ein Gänseblümchen im Sonnenschein und durch meine Blüten lass ich die Sonne rein!” – denke ich fortlaufend (mein Supermarktkassen-Mantra), bis ich an der Reihe bin. An der Kasse sitzt Frau Botox. Frau Botox heisst nicht aufgrund diverser Restaurationsmaßnahmen so – sie ist ein älteres Kaliber – sondern weil sie keinen einzigen Gesichtsausdruck drauf hat. Sie sagt auch nicht nur unter der Androhung von körperlichen Schmerzen “Hallo” und “Tschüss”. Vielleicht hat sie in Ihrer sozialistischen Ausbildung auch keinen passenden Wortschatz gelernt. Man steckt ja nicht drin.

Weil sie mich nicht ausstehen kann, zieht Frau Botox meine Auswahl übers Band, es piept an dramaturgisch geeigneter Stelle und bemerke, wie sie immer wieder besooooonders unauffällig meinen prallgefüllten Beutel besieht. Ich sage nichts, ich bin zu gespannt, ob sie eventuell ihr erstes Wort spricht.

“Was issen in dem Beutel da?”, zischt sie hinterlistig und ich frohlocke.

“Ist nix von hier, hier jibts ja nüschts!”

Touché!

“Ick bin hier übrigens seit zwei Jahren fast täglich, brauchen sie noch nen Lichtbild und meinen Perso?”

Natürlich denke ich den zweiten Teil nur, die arme Frau kann nichts für ihren perspektivlosen Job und die Knaller mit denen sie sich täglich die Laune verhageln lassen muss. Die wird mir fehlen, die Frau Botox, und das restliche Gelumpe auch.

Bis November,
Eure Marga

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One Response to Im Supermarkt

  1. [...] Sonntag statt. Zu dumm, dass es gar keinen Grund zum Einkaufen gibt, seitdem der ehemalige Gammel-Markt in Lauf- und Rufnähe wieder seine Pforten geöffnet hat. Vielleicht geht die Frau Ritari mit der [...]

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