Achtung: Bei akuter fröhlicher Weihnachtsstimmung und anhaltender Besinnlichkeit ist vom Lesen dieses Textes abzuraten!

Machen wir uns nichts vor: Der kapitalistische Konsumapparat hat uns nicht erst seit Erfindung des Arbeitshimmels fest in der Hand. Alljährlich, nämlich dann wenn es draußen besonders ungemütlich und leichenkalt draußen ist, werden wir angestiftet, auf Kommando besinnlich und philantrophisch zu werden. Ähnlich einer anderen, perserven Sitte, dem Fasching, klappt das natürlich besonders gut, wenn man von Natur humorlos und ein dementsprechendes Ekel ist. So sind diejenigen, die das ganze Jahr Arschlöcher sind, an Weihnachten besonders unangenehme, weil besinnliche, Arschlöcher. Arschlöcher in Geberlaune quasi.

Menschen, mit denen ich das ganze Jahr kein Wort wechsle (und das vermutlich aus gutem Grund) entdecken plötzlich die christliche Nächstenliebe und fragen allen Ernstes, ob ich etwas brauchen könnte. Sicher! Ruhe! Gerade vor euch! Genauso wie ich vor Ekel bersten könnte, wenn Herr und Frau Arschloch frisch onduliert in die Kirche hüpfen, um sich einen sporadischen Segen abzuholen, aber den Rest des Jahres maulen und heulen, dass die Kirchensteuer zahlen. Genauso bersten möchte ich, wenn Herr und Frau Arschloch dem demotivierten Mitbewohner in OpenAir-Lebensumständen am Alex dann “ausnahmsweise halt doch” nen Euro zustecken, weil IST JA WEIHNACHTEN. Brr. Den Penner freuts für den Moment, aber was hat er davon im nächsten Jahr. Richtig! Nix! Das ist vorchristlicher Mitleidstourismus. Und kein Mensch wird bestreiten, dass es angebrachter wäre, diese Geben-Geschichte nicht nur am Geburtstag eines jüdischen Zimmermanns zu zelebrieren. Es tut trotzdem kaum einer.

Bersten könnte ich außerdem noch, ob dieser Geschenkegier und dem integriertem Konsumterrorismus – Ok, hold on. Natürlich kriege ich gern Geschenke. Aber nicht, weil jemand sich emotional, moralisch und medial dazu angestiftet fühlt, sondern weil es vom Herzen kommt. Ich brauche keine mühsam erdachten Präsente. Der ganze Unwille, der meist hinter so einem in letzter Minute gekauften und von gestressten Kaufhaus-Sklaven verkauften Dings steckt, ist das Geschenk meist nicht wert.

Bersten möchte ich auch anhand des beschissenen TV- und Radio-Programms. Bis auf “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” ist alles doof. Auch die Fresserei lässt mich in mehrfacher Hinsicht bersten. Dieses ganze Heckmeck macht mich krank und traurig und je näher Weihnachten rückt, desto unbesinnlicher werde ich.

Als Kind waren es die kleinen Dingen an Weihnachten, die sich tief ins Herz pflanzen. Das Klingel der Glocke, der Weihnachtsbaum und das Aufsagen der Weihnachtsgeschichte, die (meist doch nicht so kleine) Aufregung, das Ritual des Spazierengehens und das unglaubliche Pech das Christkind schon wieder (!) verpasst zu haben und der unbestechliche Glaube daran.

Weihnachten ist für mich anscheinend irgendwann gestorben, als ich begriff, wieviel Stress und runtergschluckter Frust es bedeuten kann. Solche Dinge wie weihnachtliche Selbstmordquoten, zerrüttete Familien und gescheiterte Ehen sprechen doch eine Sprache für sich. Und solange jeder brav die Fresse hält und besinnlich tut, wie es der gesellschaftliche Kodex verlangt, geht die Sache gut. Auch wenn es mich selbst nicht betrifft: Das macht traurig. Vielleicht brauche ich erst eigene Kinder, damit Weihnachten wieder ehrlich Spaß machen kann?

Seitdem ich nicht mehr unter der elterlichen Fuchtel bin, bin ich jedes Jahr im Dezember nur nach Hause gefahren, um meine Familie zu sehen. Seitdem meine Eltern sich dem weihnachtlichem Tamtam entsagten und es auch keine großen Familienfeste mehr gibt, ist alles gut. Wir gehen nicht in die Kirche, weil wir das das ganze Jahr auch nicht tun. Wir machen uns nicht gezwungen schick, wir spielen Karten und betrinken uns gemeinsam und hören HardRock und Metal dazu. Es ist keine mittlere Katastrophe, wenn der Erste sich um 21 Uhr Richtung Koje verabschiedet (nicht um der Gesellschaft zu entfliehen, sondern eher aufgrund des fortgeschrittenen Tequila-Konsums). Es wird auch lebhaft diskutiert und gelacht und erst wenn das Essen auf den Tisch kommt, wird zart daran erinnert, dass ja eigentlich ein Feiertag ist. Die Beschenkerei wird übrigens an Weihnachten zelebriert, weil wir uns sonst das ganze Jahr nicht sehen. Vielleicht ist Weihnachten dieses Jahr auch nur so zum Bersten Scheiße, weil ich meine Familie dieses Jahr erst später sehe?

Mein unchristliches Mitleid für diejenigen, die heute um mich herum verweilen, aber ihr seid selber Schuld und habts euch ausgesucht. Ab morgen – also nach dem primären Großkampftag – bin ich auch wieder entspannter. Und am Sonntag wenn ich es endlich gen Heimat und die elterliche Verwöhnbude geht, werde ich dankbar sein. Sehr dankbar. Und ein wenig nostalgisch. Aber nicht weil Weihnachten ist. Sondern weil es für dieses Jahr vorbei ist.

Euch anderen, die sich tatsächlich bis zum Ende dieses Textes durchgekämpft haben, wünsche ich passend zum Inhalt möglichst wenig Stress, nicht so viel besinnliches Blabla und wenig bis gar keinen Zoff. Der Rest kommt ja ohnehin.

Eure Marga

Related Posts with Thumbnails

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

Premium Wordpress Plugin
  • RSS
  • Twitter
  • Soup.io
  • Facebook